1 Jun 2017
„Die Sicht der Frauen erzählen“
Portrait der Historikerin und Filmemacherin Mag. Anita Lackenberger
Die am 5. November 1961 geborene St. Pöltnerin Anita Lackenberger stammt aus einfachen Verhältnissen – Geld war immer knapp. Trotzdem ermöglichte die alleinerziehende Mutter der Tochter den Besuch der Höheren Lehranstalt für Wirtschaftliche Berufe, mit dem Hintergedanken, dass die Tochter einen Beruf haben, aber so auch einen „g’scheiten Mann“ finden und heiraten werde. Lackenberger hatte nach der Matura allerdings andere Pläne: „Ich entwickelte die konfuse Idee, Geschichte zu studieren und anschließend nicht unterrichten zu wollen.“
Bestärkt hatte sie das Vorbild ihrer Großmutter. „Sie und ihre Freundinnen haben ihr einfaches Leben ordentlich und anständig bewältigt – das war für mich ein Leben in Fülle. Meine Großmutter hatte einen guten Zugang zu Menschen und Hochachtung vor jedem,“ erklärt Lackenberger. Und die feste Vorstellung, dass alle Menschen gleich seien. „Armut und Ausgrenzung waren dadurch für mich als Kind nicht spürbar.“
Das Studium finanzierte Lackenberger mit unterschiedlichsten Nebenjobs, von der Liegewagenschaffnerin bis zur Maturantenberatung war alles dabei. „Ich habe sehr lange studiert, weil ich nicht wusste, was ich machen will.“ Nur eines wusste sie mit Sicherheit: sie wollte keine akademische Karriere einschlagen. Und: Filme machen interessierte sie. So begann sie Drehbücher zu schreiben und erlebte schnell die Schattenseiten dieses Berufes: meist wurde zu spät bezahlt, vieles passte den Auftraggebern nicht und musste wieder umgeschrieben werden (das ist auch heute noch ein Teil des Berufes). So begann Lackenberger selbst Regie zu führen und auch zu produzieren. „Das war damals einfacher als heute,“ erklärt sie. Es war mehr Geld da, es gab weniger Regularien, alles war in den Anfängen. „Ich hatte das Glück, immer auf tolle Frauen zu treffen wie Hertha Firnberg, Liese Prokop, Maria Schaumayer oder Monika Lindner. Ihnen waren Frauen ein Anliegen. Sie haben Experimente ermöglicht und nicht gefragt haben, woher du kommst und wer du bist“
Die Arbeiten von Lackenberger zeichnen sich durch große thematische Vielfalt aus. Sie schreibt Bücher über Historisches, Wandern, Kochen und Backen und sie produziert Filme (meist gemeinsam mit ihren Lebensgefährten), insbesondere zum Thema Frauen oder aus der Sicht von Frauen.
Die Welt verändern
In Filmen könne man in vielem die Welt verändern, indem man im fiktionalen Film eine neue Welt baue. „Ich bin froh, dass wir so viele Geschichten erzählen dürfen und den Wert jedes einzelnen Menschen zeigen können.“ Zum Beispiel, allein zu zeigen, wie Menschen feiern, sei ein unglaublicher Reichtum. Ähnliches gelte für die vielen „Universum History“ und „kreuz und quer“ Arbeiten, die sie machen dürfe.
Das Leben als Filmemacherin
Natürlich bringe der Beruf auch viele Einschränkungen mit sich. Es gebe keine Sicherheit, man wisse nie, wann man wo steht, das ständige auf und ab am Kontostand, die Verantwortung für die MitarbeiterInnen, der Widerstand, der umso größer wird, je erfolgreicher man ist. „Das muss man auch wollen,“ erklärt Lackenberger und lacht: „Die Organisationskunde der HLW hat sich bei mir wirklich bezahlt gemacht.“
Lackenberger ist eine der wenigen Frauen, die Filme auch selbst produzieren. „Das ist Teil meiner Identität, meint sie. „Ich will nicht nur die künstlerische Freiheit und Verantwortung haben, sondern auch Frau über das eigene Leben sein, und die Kontrolle über die Dinge haben.“ Das mache sie unabhängig.
Frauengeschichten
Frauen und Frauengeschichten ziehen sich als ein roter Faden durch die berufliche Biografie der Anita Lackenberger, weil sie „für Gerechtigkeit sorgen will.“ Es gäbe viele spannende Dinge von Frauen, die nicht erzählt würden. Sie will sich mit der weiblichen Seite der Welt auseinandersetzen und erzählen, welchen Beitrag sie zur Weiterentwicklung der Welt beigetragen haben. Dabei legt sie Wert auf die Feststellung, dass sie Frauen nicht als die besseren Menschen sieht, und mit ihnen alles gut würde. Frauen machten schlichtweg 50% der Menschheit aus und hätten ein Recht darauf, ihre Geschichte zu erzählen. Dabei sei ganz wichtig, dass Frauen Frauengeschichten erzählen, und nicht Männer. „Ich fordere immer wieder vehement ein, dass Frauen diese Budgets bekommen und ihre Geschichten selbst erzählen können.“
An der Stellung der Frauen sähe man übrigens auch, wie es um eine Demokratie bestellt sei – Repressionen gegen Frauen seien immer das Erste, wenn es bergab gehe. Wo steht da Österreich? „Bei uns im Bereich geht es in erster Linie um die Verteilung von knappen Budgetmittel,“ meint Lackenberger. So hat bis jetzt noch nie eine Frau einen Fernsehfilm produziert! Noch viel schlimmer: Männer erhalten die Budgets um über Frauenthemen zu arbeiten .
Was empfehlen Sie jungen Frauen?
„Junge Frauen sollen einfach unbeirrt ihren Weg finden und gehen, und nicht zu viele Ratschläge einzuholen. Es ist wichtig, auf die eigene Bestimmung zu hören. Das ist alles was man mit Liebe macht, und möglichst unabhängig von anderen.“ Bildung sei ein wesentlicher Schlüssel zum Erfolg.
Zurückblickend – was sind Ihre drei Ratschläge an Ihr 14-jähriges Ich?
- Selbstvertrauen ist das Wichtigste
- ein großes Herz für Menschen
- genau hinschauen, was man tut, und welche nachhaltigen Folgen es hat.
Portrait/Interview: Roswitha M. Reisinger